22 km – Raus aus der Komfortzone

Laufen, laufen, laufen. Auch wenn ich zur Zeit “nur” drei Mal die Woche meine Laufschuhe schnüre, dreht es sich in meinem Kopf gerade oft ums Thema Laufen. Leider sind das  nicht immer positiven Gedanken, denn ich zweifle und hadere seit zwei Wochen sehr mit meinem Marathon-Vorhaben.
Hat jemand gesagt, dass Marathontraining einfach sei? Nein. Aber ich habe es mir ehrlich gesagt nicht so anstrengend vorgestellt. Ich bewege mich gerade gefühlt ständig außerhalb meiner Komfortzone  – nicht nur in Sachen Laufen, sondern auch durch das Zusammenspiel mit meinen Kursen, der Therapie, der Arbeit, dem Wohnungsbau etc. Das alles fühlt sich in Summe nicht so prickelnd an und ich bin gerade nicht davon überzeugt, dass ich es am 26.10. tatsächlich schaffe 42,195 km zu laufen.

Ich bleibe trotzdem dran, denn so ganz habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ich in Frankfurt über die Ziellinie laufen werden.

Diese Woche gab es für mich wieder einen neuen Meilenstein in Sachen Laufdistanz: 22 km. Diese Meilensteine wird es ab sofort (fast) jede Woche bis zum Marathon geben, wenn ich mich bei den langen Läufen in für mich immer neue Dimensionen vorwage. Das war bei meinem ersten Halbmarathontraining auch schon jedes Mal ein tolles Gefühl, wenn ich es wieder geschafft hatte, ein Stückchen weiter und länger zu laufen. Und auch jetzt bin ich verwundert, dass immer noch mehr geht.
Die 20 km letzte Woche waren wirklich eine große Hürde für mich. Danach konnte ich mir nicht vorstellen, dass sich die 22 km sogar etwas einfacher anfühlen würden. Dabei bin ich auch dieses Mal nicht mit idealen Voraussetzungen in den langen Lauf am Montag gestartet: Ich hatte Ganzkörpermuskelkater von der LesMills-Fortbildung am Vortag und meine Beine waren schwer wie Beton. Außerdem habe ich diesen langen Lauf das erste Mal direkt nach dem Aufstehen ohne Frühstück (aber mit Energy-Gels unterwegs) absolviert. Mein Coach hat mir das empfohlen, um meinen Fettstoffwechsel nochmals zu verbessern. Sport nach dem Aufstehen und ohne Frühstück ist sonst ein No-Go für mich, da ich absolut kein Frühsportler bin (und wird nach dem Marathontraining sofort wieder abgeschafft). Doch auch hier habe ich mich wieder aus meiner Komfortzone rausgewagt und war überrascht, dass ich die erste Stunde des Laufs ohne Magenknurren überstanden habe.

Meine Laufstrecken gehe ich dieses Mal total planlos bzw. ganz intuitiv an. Ich bereite nichts vor, d.h. ich verbringe keine Ewigkeit mehr damit, im Vorfeld Strecken über Onlinekarten zu vermessen. Das klappt erstaunlich gut und ist viel entspannter! Ich entscheide spontan, ob ich lieber im Wald oder auf den Feldern laufen möchte. Ich versuche außerdem, immer neue Wege zu laufen, und lasse mich nicht davon abschrecken, dass ich das Streckenprofil nicht kenne. Am Montag bin ich daher viele Anstiege (von denen gab es reichlich) gegangen, da ich einfach nicht mehr Power in den Beinen hatte. Meine Mantras waren “What goes up must come down.” und “Einfach immer in Bewegung bleiben.”. Am Ende hatte ich trotzdem eine Durchschnittspace von 6:30 min/km – so, wie es mein Trainingsplan vorgibt.

Ich entdecke gerade viele neue Gebiete, in denen ich früher noch nie gelaufen bin. Gerade im Wald ist es daher gut, immer mal wieder einen Blick auf die Wanderkartenschilder zu werfen, damit ich mich nicht komplett verlaufe.

Ich liebe dieses große Waldgebiet in Stuttgart, das in Richtung Bärenseen, Rotwildpark und Kräherwald noch weiter geht. Daher bin ich dort auch oft für meinen gesteigerten Dauerlauf (bei dem ich langsamer beginne und dann das Tempo alle 2 km steigere) unterwegs. Mir macht es Spaß, nicht immer so genau zu wissen, wo ich genau rauskommen werde, wenn ich in einen neuen Weg einbiege. Wenn alle Stricke reißen sollten und ich mich komplett verlaufe, habe ich immer noch mein Smartphone dabei, das mich nach Hause lotsen kann oder mit dem ich jemanden anrufen kann, der mich irgendwo abholt.

Das Kopfkino war diese Woche zumindest beim langen Lauf etwas ruhiger, hat mich dann aber mein gesteigerten Dauerlauf wieder eingeholt. Gedanken wie “Oh mein Gott, wie soll ich jemals nen Marathon schaffen, wenn mir 14 km schon so schwer fallen!” haben fröhlich ihre Runden in meinem Kopf gedreht, während ich meine im Wald gedreht habe. Am Freitag beim Bahntraining war ich froh, dass ich zum einen wieder in Gesellschaft laufen durfte und ich mich zum anderen mit Lutz, auch ein Marathonneuling, austauschen konnte. Bei ihm steht in einer Woche der Berlin-Marathon an und ihn plagen gerade die selben Zweifel. Wir haben uns dann gegenseitig das Ohr vollgeheult und danach ging es mir ein bisschen besser.

Am Samstagnachmittag habe ich mir dann endlich ein bisschen Pause von allem gegönnt und die Spätsommersonne auf dem Balkon genossen. Manchmal braucht es eben nur eine viertel Stunde Ruhe, damit man die Welt mit etwas anderen Augen sieht. Das gilt nicht nur für unser Handwerkerdrama, sondern auch für die Marathonvorbereitung.

6 Comments

  • Respekt! Ich finde du machst das ganz fantastisch!! Lass dich von dem Kopfkino nicht von deinem Training abhalten oder gar blockieren…ich glaube ein bisschen Respekt vor so einer langen Strecke ist gar nicht verkehrt und schützt einen selbst davor den Körper zu überlasten!! Ich wünsch dir weiterhin viel Erfolg! Liebe Grüße Jenny

  • Hi Julia, ich lese fasziniert deine Posts von deinem Marathontraining und bin echt beeindruckt. Wie kann man so lange laufen? Aber es ist gut zu lesen, dass auch Fitnesstrainerinnen nicht einfach einen Marathon laufen können und ähnliche Gedanken haben wie jemand, der erst mal die 5 km schaffen will.

    Ich habe jetzt schon großen Respekt vor deiner Leistung und du wirst es schaffen! Muss ein tolles Gefühl sein, wenn man die Ziellinie überläuft. Denk einfach daran. Du schaffst das 🙂 Liebe Grüße Melanie

  • Manchmal ist es echt so seltsam, wie du mir aus der Seele sprichst. Es ist nicht so, dass ich mich in einem "Marathontraining" befinde, aber ich laufe eben und ich bemühe mich stets längere Strecken zu laufen.
    Ich habe für meinen Teil festgestellt, dass wenn ich so unglaublich oft Laufe wie ich es noch Richtung Juni getan habe, ich selten eine Verbesserung an mir feststelle. Na klar, ein paar Sekunden besser ist man schon, aber die Lust am Laufen vergeht so schnell.
    Wenn man oft läuft und dann immer die gleiche Strecke, dann ist es sowieso nochmal ermüdend – das merkt man aber tatsächlich erst dann, wenn man mal eine andere Strecke gelaufen ist.
    Es entspannt mich einfach sehr, wenn ich in der Natur laufen kann – das ist hier in Essen natürlich nicht immer der Fall – für richtige Natur muss man dann schon ein bisschen weiter raus und das ist natürlich ungünstig. Trotzdem merke ich dann, wie es mir mental besser geht. Ich kann einfach nur dann abschalten, wenn ich mich nicht auf Ampeln und Fußgänger konzentrieren muss – das macht das Laufen so entspannend.

    Vorgegebene Wege laufe ich schon länger nicht mehr. Einfach drauf los und dann mal schauen wo es einen hinführt. Es ist aber doch schön, dass du deine Ziele erreichst und wunderbar, dass du am Laufen immernoch Spaß hast.

    LG,
    Katharina von http://veg-von-hier.blogspot.com

  • Haha! Ich glaube, es ist egal, ob man Fitnesstrainer ist oder nicht: Marathontraining ist immer eine große Herausforderung – obwohl sie schon größer ist, als ich das erwartet hatte.

    Du wirst dann hier nachlesen können, ob das Gefühl, über die Ziellinie zu laufen, wirklich so toll ist. Das ist zumindest die eine Sache, an der ich aktuell am wenigsten zweifle. 😉

  • Ich habe bei meinen vorherigen Laufvorbereitungen oft den scheinbar bequemen Weg gewählt und bin oft die selbe Strecke mit einer Runde mehr hier und einem Schlenker mehr da gelaufen. Doch hatte ich da einfach nicht immer Lust drauf. Doch kam mir damals einfach nicht in den Sinn, so ins Blaue drauf los zu laufen, wie ich das jetzt mache. Das fühlt sich aber so viel besser an!
    Den Spaß am Laufen habe ich wirklich noch nicht verloren – auch wenn ich mich auf eine kleine Pause davon freue. 🙂

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