Hab keine Angst vor der Angst!

Angst – wir alle kennen sie und jeder von uns will am liebsten einen großen Bogen um sie machen. Doch das ändert nichts daran, dass Angst ein Teil unseres Lebens ist. Ja, sie gehört nicht zu den angenehmen Gefühlen. Doch wenn man ihr richtig begegnet, kann sie sogar sehr hilfreich sein.
Daher rufe ich dich dazu auf, keine Angst vor der Angst zu haben!

HabKeineAngstVorDerAngst

Angst? Da schaue ich lieber nicht so genau hin!

Zumindest war das lange Zeit mein Credo. Und auch heute ertappe ich mich immer wieder beim strategischen Wegschauen, wenn sich ein Gefühl der Angst in mir breit macht. Außerdem hört man doch überall, dass Angst schlecht sei, dass man sich nicht von ihr leiten lassen soll, dass sie das ultimative Hindernis für ein glückliches und erfülltest Leben sei. Da bekommt man fast den Eindruck, man hätte es mit einer biblischen Plage zu tun, die Zerstörung und Verderben mit sich bringt. Als sei die Angst etwas, das nicht sein darf.
Vielleicht habe das aber auch nur ich für mich über die Jahre so mitgenommen bzw. aufgefasst. Doch ein leise Stimme in mir sagt auch, dass ich mit dieser Angst vor der Angst nicht ganz alleine bin. Gerade treiben mich natürlich auch viele neue Ängste um – während einer Schwangerschaft, v.a. wenn es die erste ist, ganz normal. Doch das war für mich erneut die Motivation, mein Angstverhalten nochmals zu hinterfragen.

Die Angst vor der Angst

Bei mir hat sich wirklich so etwas wie eine Angst vor der Angst entwickelt, was zur Folge hatte, dass ich versucht habe Situationen zu vermeiden, in denen Angst aufkommen könnte. Ich spreche hier natürlich nicht von der Angst, die man z.B. beim Schauen eines gruseligen Films hat, sondern von den ganz individuellen “Urängsten”. Da steht bei mir an erster Stelle die Angst davor, Fehler zu machen, bzw. die Angst vor Ungewissheit/Unsicherheit.
Wenn man versucht, seinen Urängsten immer aus dem Weg zu gehen, bleibt man stets in seiner Komfortzone. Das fühlt sich eine Zeit lang ganz gut an, aber ich bin davon überzeugt, dass wir Menschen nicht dafür gemacht sind, auf ewig in der Komfortzone zu bleiben. Zufriedenheit ergibt sich auch durch Weiterentwicklung und bewusste Veränderung. Ein ganz natürlicher Vorgang, wie ich finde, denn nirgendwo in der Natur gibt es Stillstand. Klar, die einen brechen öfter und größer aus ihrer Komfortzone aus als andere. Doch wenn man das nie bewusst macht, zwingt einen das Leben irgendwann von selbst dazu.

Für mich bedeutet diese Angst vor der Angst auch, dass ich mich ganz lange dagegen gewehrt habe zu lernen, mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Ich habe mich dagegen gewehrt, dass ich nicht in die Schublade gepasst habe, die ich mir für mich “gebaut” hatte. Da stoße ich natürlich auch heute noch immer wieder an meine Grenzen, wenn dieser für mich falsche Anspruch, der ganz schön tief verankert ist, und die Realität aufeinanderprallen.
Doch was hat mir diese Angst vor der Angst gebracht? Genau, gar nichts. Sie hat mich gelähmt, mich handlungsunfähig gemacht und passiv gehalten, sodass ich mein Leben nicht aktiv selbst gestalten konnte.

Wie Angst hilfreich sein kann

“Alles was ist, darf sein.” ist ein Satz, den ich oft in den Vorträgen von Robert Betz gehört habe. Für mich ist dieser Satz zu einem Mantra geworden, da ich bei bestimmten Dingen in meinem Leben dazu neigen, innerlich Nein zu sagen. So auch zur Angst.
Doch ist Angst wirklich so schlimm? Klar, es gibt Gefühle, die erst einmal deutlich angenehmer sind. Trotzdem ist es gar nicht notwendig, nach einem angstfreien Leben zu streben, solange man der Angst richtig begegnet.

Für mich war der erste Schritt, die Angst als Teil meines Gefühlsspektrums zu akzeptieren. Alle Gefühle haben ihre Daseinsberechtigung – so auch die Angst. Sie hilft uns nicht nur, Gefahren zu erkennen, sondern auch, auf diese Gefahren zu reagieren. Sie ist nicht besser oder schlechter als andere Gefühle. Sie ist einfach. Der Unterschied entsteht bei dem, was wir daraus machen.
Vielleicht ist es für uns Menschen, die in einer Wohlstandsgesellschaft leben, auch deswegen so schwierig mit der Angst umzugehen, da wir so gut wie nie mit einer unmittelbaren, greifbaren Überlebensangst konfrontiert sind – zum Glück! Keine Kriege, keine Hungersnöte, keine Epidemien, die uns unmittelbar nach dem Leben trachten. Dennoch verspüren wir Angst, aber sie findet auf einer anderen Ebene statt. Es ist oft nicht greifbar, wovor wir eigentlich Angst haben, da sie nicht mehr so sehr im Außen, sondern mehr im Inneren stattfindet. Deswegen können wir auch so leicht wegschauen und sind nicht gezwungen, uns ihr zu stellen. Oder wir kommen uns deswegen blöd vor und es ist uns peinlich, sodass wir nicht darüber reden. Doch sie ist trotzdem da, diese Warnung vor der Gefahr, wie ein Schwelbrand. Und für manche kann sich daraus eine lebensbedrohliche Angst entwickeln.
Jedem Gefühl, dem wir uns nicht stellen, überlassen wir Macht, die mit der Zeit immer größer wird. Genau das passiert auch mit der Angst. Das heißt, dass wir dann von Angst geleitet durchs Leben gehen, wenn wir uns ihr nicht stellen und sie nicht nutzen, um auf vermeintliche Gefahren zu reagieren.

Wenn Angst in mir aufkommt ist für mich der nächste Schritt, erst einmal tief durchzuatmen und mit bewusst zu machen, dass mit diesem Gefühl der Angst eigentlich nichts einhergehen kann, mit dem ich nicht irgendwie umgehen kann. “Was kann im schlimmsten Fall passieren?” oder “Was ändert sich denn, wenn ich mir die Angst jetzt nicht anschaue?” sind Fragen, die ich mir stelle und die den Angst-Elefanten wieder etwas schrumpfen lassen. Schon rein aus Gewohnheit blase ich das Angstgefühl immer zu einer viel größeren Sache auf, als es eigentlich ist. Daher ist es wichtig, die ganze Sache mit ein bisschen Abstand zu betrachten.
Du hast richtig gelesen: Betrachten, also nicht wegschauen! Wie fühlt sich die Angst an? Wo spüre ich sie in meinem Körper? Was könnte ihr zu Grunde liegen? Gerade bei der letzten Frage ist oft nicht die erste Antwort gleich des Rätsels Lösung, da wir uns gerne eine oberflächliche Begründung für die Angst zurechtlegen. Die lässt sich nämlich scheinbar leichter lösen. Meist ist das aber nur ein Einstieg in das eigentliche Problem. Daher ist es für mich wichtig, nach der ersten Antwort kurz zu warten, ob sie sich wirklich für mich stimmig anhört. Manchmal ist die Antwort Ja, sodass ich recht schnell zur Tat schreiten kann. Sollte sich z.B. wieder die Angst vor dem Fehlermachen zeigen, dann weiß ich mittlerweile ganz gut, wie ich damit umzugehen habe. Manchmal ist die Antwort aber Nein und ich weiß auch nicht so recht, was eigentlich die Ursache ist bzw. ich komme noch nicht auf die nächste Ebene. Dann überlege ich mir, was ich trotzdem schon machen könnte, um die Angst zu lindern, und nehme die Situation z.B. mit in eine Meditation oder rede mit jemandem darüber, um einen neuen Zugang zu bekommen.

Hab keine Angst vor der Angst!

Wie du siehst ist Angst ein sehr aktives und gestalterisches Gefühl. Angst fordert dich dazu auf zu reagieren. Sie sagt dir “Hey, da stimmt was nicht – tu was dagegen!” Auch hier habe ich gerne den Satz “Alles was ist, darf sein.” im Hinterkopf, um mir wirklich bewusst zu machen, was da für mich gerade nicht stimmt – egal wie klein, lapidar oder lächerlich mir die Sache auf den ersten Blick erscheint.
Geh auf das zu, was dir Angst macht. Wähle die Schrittlänge so, dass du dich dabei gut fühlst. Manche Schritte werden größer, manche kleiner, manche schneller, manche langsamer sein. Du bestimmst das Tempo. Du wirst dabei Erfolge haben, aber manchmal auch frustriert sein. Ich bin immer frustriert, wenn es nicht mit großen UND schnellen Schritten vorangeht – keine Überraschung, oder? Doch auch hier lerne ich, nachsichtiger mit mir zu sein, zu akzeptieren, dass manche Dinge etwas mehr Zeit brauchen, sowie aus meinen Erfolgen und Misserfolgen Selbstvertrauen zu ziehen.

Angst ist also ein wirklich hilfreiches Gefühl, da wir sie dazu nutzen können, um uns weiterzuentwickeln, zu verändern und dadurch zufriedener zu werden. Wir müssen nur durch diese erste unangenehme Phase durch. Mit dem Wissen, dass es danach aber besser wird, gelingt mir das auf jeden Fall ein bisschen besser. Ich hoffe, dir auch!

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