Seit einem Monat wirbelt unser Sohn Adrian jetzt schon durch unser Leben. Vor einem Monat hat sich unser Leben von Grund auf verändert und es fühlt sich auf der einen Seite so an, als wäre ich erst gestern noch schwanger gewesen, und auf der anderen Seite, als ob die Schwangerschaft schon ganz lange her ist – dieses Zeitparadoxon geht also weiter. 😉
Wie ich diesen ersten Monat als Mama erlebt habe, möchte ich dir im heutigen Beitrag erzählen.
Ein Teil von mir – ein Teil von dir
Seit der Stunde Null verbringe ich den Großteil des Tages damit, mir unseren Sohn anzuschauen und darüber zu staunen, was mein Mann und ich da gemeinsam erschaffen haben. „Ein Teil von mir – ein Teil von dir“ – beide bringen sich ein. So haben wir es bei allen Entscheidungen und Veränderungen in unserer Beziehung gemacht und genau das empfinde ich auch, wenn ich auf unsere neue kleine Familie schaue. Daher bin ich auch so dankbar, dass wir die Möglichkeiten haben, die ersten Wochen gemeinsam zu verbringen, da mein Mann mit Urlaub und Elternzeit 8 Wochen zuhause ist. So können wir gemeinsam in unsere neuen Rollen und in unseren neuen Alltag hineinwachsen.
Die neue Normalität oder der Alltag steht Kopf
Natürlich waren wir uns darüber im Klaren, dass ein Baby unser Leben einmal komplett umkrempeln wird. Doch ist genau das auch die große Unbekannte: Was sich genau alles umkrempeln wird, weiß man eben erst, wenn man es erlebt. Genau diese Unsicherheit war ja der Grund, warum es mir lange so schwer gefallen ist, mich aufs Kinderkriegen einzulassen.
Die ersten Tage im Krankenhaus nach der Geburt waren wie unter einer Käseglocke, was wirklich großartig war: Man hat eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung für sich selbst sowie den neuen Erdenbürger – kann also immer jemanden fragen, wenn es mit dem Stillen nicht so klappt, man Beschwerden hat, sich beim Wickeln unsicher ist usw. – und man muss sich nicht ums Essen kümmern. 😉 Mein Zimmer lag sogar direkt gegenüber vom Essensraum, in dem es das Buffet fürs Frühstück und Abendessen gab (Mittagessen kam aufs Zimmer) – perfekt!
Als ich nach 3 Nächten im Krankenhaus zuhause angekommen war, stand ich erst einmal wie Falschgeld in unserer Wohnung – da ging das Umkrempeln direkt los: Wo soll ich jetzt die Babyschale samt Baby abstellen? Ziehe ich zuerst mir Schuhe uns Jacke aus oder hole ich das Baby aus der Babyschale? Und wenn wir dann beide ausgezogen sind: Wohin mit uns? Setzen ich mich mit Adrian einfach mal auf die Couch und warte, bis mein Mann auch wieder in der Wohnung ist? Was habe ich denn sonst gemacht, wenn ich nach Hause gekommen bin?
Ich hatte natürlich erwartet, dass mit einem Baby v.a. viel Neues in den Alltag kommt – eben alles, was das Baby direkt betrifft wie Wickeln, Stillen etc. Doch ich hatte nicht erwartet, dass auf einmal ALLES neu und irgendwie anders wird – egal ob wir essen, ins Bad gehen, uns abends auf die Couch setzen, es wird jetzt auch durch eine weitere Person beeinflusst.
Ach, von wegen beeinflusst. Adrian bestimmt gerade komplett unseren Alltag! 😉 Doch das konnte ich mir erst nach und nach so wirklich eingestehen. Der Perfektionist und Planer in mir wollte immer noch ein Stückchen Restkontrolle behalten. Und so haben sich nach und nach immer mehr Widerstände in mir aufgebaut, denn ich wollte natürlich nicht nur im Alltag noch ein Gefühl von Kontrolle behalten, auch auf emotionaler Ebene konnte ich mich in dieser neuen Situation nicht richtig fallen lassen. Dabei war meine Erwartung an mich selbst eine ganz andere, da ich ja schon während der Schwangerschaft für meine Verhältnisse sehr gut mit den Veränderungen umgehen konnte. Da habe ich die Wucht der Veränderungen durch die Geburt einfach unterschätzt und mir manches auch einfach anders vorgestellt. Ich dachte z.B. nicht, dass ich durch Adrian jetzt fast mehr gefordert und eingespannt bin als während der Schwangerschaft. Ich trage ihn zwar nicht mehr in mir, aber er braucht immer noch ganz viel Körpernähe – nicht nur wenn er wach ist, sondern auch zum (Ein-)Schlafen. Und diese Nähe möchte er zum Großteil von mir. Irgendwie ist das ja klar, aber ich dachte z.B., wenn er schläft, dann legen wir ihn in sein Bettchen und ich kann zwischenzeitlich auch andere Dinge machen. Genauso erfordert das Stillen viel mehr Zeit. Auch da hatte ich mich zu sehr auf die allgemeinen Angaben verlassen, die man so hört (2-3 Stunden Abstand zwischen den Mahlzeiten und einer Stilldauer von 30-45 Minuten), doch sowohl Abstände als auch Dauer sind bei uns oft ganz unterschiedlich. Außerdem war mir nicht so bewusst, dass das Stillen auch ohne Hunger als wichtiger Trostspender dient, was zumindest bei uns meist nicht durch Schnulli und Rankuscheln ersetzt werden kann. So habe ich an manchen Tagen den Eindruck, dass ich non-stop am Stillen bin und auf der Couch festklebe.
In die neue Rolle hineinwachsen
Nach 2 Wochen gingen mir immer öfter „Es kann doch nicht sein, dass…“-Gedanken durch den Kopf: „Es kann doch nicht sein, dass das Stillen immer so lange dauert.“, „Es kann doch nicht sein, dass der Kleine nur schläft, wenn er bei einem von uns auf dem Arm/dem Schoß ist.“, „Es kann doch nicht sein, dass er nur in den Schlaf findet, wenn er an der Brust ist.“, „Es kann doch nicht sein, dass das so anstrengend für mich ist.“ Ergebnis: In mir wuchsen Unsicherheit, Unzufriedenheit und Stress, wofür ich mittlerweile sehr sensible Antennen habe. Aus Frust und in der Hoffnung, dass es eine schnelle Lösung gibt, habe ich dann auch den Fehler gemacht, nach manchen dieser „Es kann doch nicht sein, dass..“-Gedanken zu googeln. Obwohl, wenn ich so drüber nachdenke war das eigentlich gar kein Fehler, denn was ich dort in den Foren und Ratgebern gelesen habe, ging mir so gegen den Strich, dass mir eine Sache wieder ganz schnell klar wurde: Ich sollte mehr auf meine Intuition vertrauen und erst einmal an meiner inneren Haltung arbeiten, bevor ich unserem neugeborenen Sohn mit Einschlaflern- und Nuckelentwöhntechniken um die Ecke komme. Warum denke ich denn, dass es anders sein sollte als so, wie es eben gerade ist? Warum denke ich, dass an der aktuellen Situation etwas falsch ist? Welche inneren Schutzwälle halten mich davon ab, mich auf die Veränderungen komplett einzulassen? Dass ich meine Meditationspraxis seit der Geburt habe schleifen lassen, war für meine innere Haltung auch nicht gerade förderlich.
Natürlich geht es von Geburt an auch darum, dass man die Bedürfnisse des Kindes und die eigenen Bedürfnisse unter einen Hut bekommt. Die eigenen schraubt man dabei sehr schnell zurück, aber man kann eben nicht alles komplett aufgeben. Und hier spreche ich jetzt nicht nur davon, dass man selbst noch irgendwie Zeit zum Essen und Schlafen finden muss, sondern dass da auch andere, auf den ersten Blick vielleicht irrelevante Bedürfnisse ab und zu befriedigt werden sollten, damit man zufrieden bleibt. Ich brauche z.B. zumindest alle paar Tage ein bisschen Make-Up im Gesicht, dass ich ein paar Dinge niederschreibe (wie diesen Blogpost) und dass ich täglich ein Zeitfenster habe, in dem mein Innerstes zur Ruhe kommen kann. Das trägt alles zu meiner Grundzufriedenheit bei, die auch für unseren Sohn wichtig ist. So sehe ich es als Teil meiner neuen Rolle als Mama an, dass ich für meine Bedürfnisse jetzt einfach neue Wege der Umsetzung finden muss, anstatt mich ständig darüber aufzuregen, dass es nicht mehr so laufen kann wie früher. Bevor ich gar keine Zeit zum Meditieren finde, findet die Meditation auch mal während des Stillens statt. Und während ich diesen Beitrag schreibe, liegt Adrian im Stillkissen auf meinem Schoß und schläft. <3 Doch es geht für mich auch darum, Zufriedenheit in meinen neuen Aufgaben zu finden, ohne zu erwarten, dass das gleich passieren muss.
Die Liebe ist überwältigend
Ja, es war in vielerlei Hinsicht ganz schön anstrengend in den letzten Wochen. Es arbeitet ganz schön in mir. Aber eines kann ich jetzt auch schon mit Sicherheit sagen: Die Liebe, die durch Adrian in mir gewachsen ist, ist überwältigend. Da ist nicht nur die Liebe für ihn entstanden, auch die Liebe für meinen Mann und – auch wenn ich das nur schwer zulassen kann – die Liebe zu mir selbst ist gewachsen. Dieser kleine Mensch hat mich in den letzten Wochen an neue Grenzen gebracht und war gleichzeitig die größte Motivation, diese Grenzen überwinden zu wollen.
Auch wenn ich mir in den letzten Wochen einiges anders vorgestellt hatte, so ist es rückblickend doch genau so wie erwartet: Es ist ein Abenteuer, das trotz der vielen Herausforderungen so viel Wunderbares in mein Leben gebracht hat. Es ist in so kurzer Zeit so viel passiert, dass ich immer noch das Gefühl habe, dass ich trotz des langen Beitrags noch nicht alles gesagt habe, was in mir vorgeht, was sich verändert hat, was ich fühle. Aber für einen ersten Eindruck in unser neues turbulentes Familienleben sollte es reichen und mir hat das Schreiben wieder richtig gut getan.
Liebe Julia – vielen Dank für diesen Blog-Eintrag! Ich habe mich so oft wieder gefunden (mein Sohn Lorenz ist gut 2 Wochen älter als Adrian). Auch ich habe mich anfangs sehr gewundert wie oft und wie lange man stillen „muss“ (nun denke ich mir „stillen darf“ – ist ja nicht so selbstverständlich dass das alles gut funktioniert). Auch hier schläft man bevorzugt auf der Mama – viel Zeit bleibt da tagsüber nicht mehr über. Das Gefühl auf der Couch festzukleben kenne ich also nur zu gut! Am meisten hat mich anfangs getroffen, dass die Abende – die sonst für mich immer absolute „Freizeit“ waren – nun 100% dem Sohnemann gewidmet werden, damit dieser einschlafen kann. Aber wie du schreibst – man findet seine Wege, damit man sich nicht ganz selbst verliert.
Ich freue mich schon über deine nächsten Blog-Beiträge übers Mama-Sein!
Ganz liebe Grüße aus Salzburg…
Hallo Julia,
ach, wie wunderbar! Ich gratuliere nochmals recht herzlich euch dreien und wünsche dir viel Geduld mit dir selbst. 😉 Ich habe zwar selbst keine Kinder, aber ich kann mir annähernd ausmalen, wohin Frau sich dann ihren Perfektionismus stecken kann! 😀
Alles, alles Liebe und v.a. ruhige Nächte,
Frau Momo